Hamburg darf sich freuen: Nicht nur Einzelsieger*innen bei „Jugend forscht“ kommen aus der Hansestadt – in diesem Jahr erhält erstmals eine gesamte Schule die bundesweite Auszeichnung. Das Gymnasium Farmsen (GyFa) setzte sich in der Endrunde erfolgreich gegen Schulen aus Niedersachsen und Bayern durch und wurde zur „Jugend forscht“-Schule 2025 gekürt.

Schulleiterin Steffi Weisener betont, dass dieser Erfolg nicht auf Einzelentscheidungen basiert, sondern auf einem starken Zusammenspiel im Kollegium: „Ich höre sehr genau hin, was meine Kolleg*innen benötigen, wo Ressourcen fehlen – und tue alles dafür, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass echtes, selbstständiges Forschen möglich wird.“ Aus dieser Kultur des Miteinanders sei ein tragfähiges Schulkonzept entstanden.

Das Gymnasium Farmsen hat in seinem 2017 fertig gestellten Neubau moderne Räumlichkeiten und somit sicherlich auch gute Grundlagen für erfolgreiches naturwissenschaftliches Arbeiten. Gleichwohl ist es wie bei vielen anderen Gymnasien stets eine Gratwanderung, wofür die Räume genutzt werden. Eine Werkstatt ist nicht vorhanden. Laborarbeit findet in den naturwissenschaftlichen Räumen statt. Aber für Frau Weisener sind das nicht die entscheidenden Faktoren. „Die Schülerinnen und Schüler müssen begeistert werden, und Motivation entsteht, wenn sie ihren individuellen Begabungen und Neigungen nachgehen können. Wir wollen keine konstruierten Fragestellungen, sondern welche, die die Schüler:innen selbst in ihrem Alltag finden. Daraus resultiert Forschertätigkeit mit maximaler Selbstständigkeit und mit ganz starkem Lebensweltbezug.“ Kreative Lösungen finden sich durch die Nutzung von Werkstattwagen oder die schuleigene Technik-AG, die in den vergangenen 20 Jahren permanent an der Veranstaltungstechnik mitarbeitet. Ehemalige „Techniker:innen“ sind dem GyFa immer noch verbunden und bleiben dadurch Teil der Schulgemeinschaft.

Die erfolgreiche MINT-Arbeit am Gymnasium Farmsen basiert natürlich nicht nur auf begeisterten Schüler:innen und Kolleg:innen, sondern auch auf dem entsprechenden Leitungshandeln:

Strukturelle Rahmenbedingungen

Seit 2008 gibt es ab Klasse 5 einen MINT-Zweig, in dem Zeiten für freies Arbeiten oder das NaWiPra  (naturwissenschaftliches Praktikum) reserviert sind.  Gerade diese Freiarbeit erlaubt es, den oben erwähnten Lebensweltbezug herzustellen, in dem die Schüler:innen sich frei von Bewertungsängsten ausprobieren können. Hierfür nutzt das „GyFa“ die im Rahmen der selbstverantworteten Schule gegebenen Möglichkeit, die Stundentafel an die schuleigenen Bedürfnisse anzupassen. In den Anmelderunden wenden sich Familien explizit wegen des MINT-Zweiges an das Gymnasium Farmsen. Auch im Leitbild der Schule ist das zukunftsorientierte Lernen verankert und wird u.a. durch den Zugang zu digitalen Lernmitteln und die Nutzung von adaptiven Lernplattformen befördert.

Personal

Das GyFa ist hier breit aufgestellt: Eine Fachkraft für Begabtenförderung sowie zwei weitere Beförderungsstellen für die Koordination naturwissenschaftlicher Wettbewerbe und die MINT-Koordination arbeiten gemeinsam an der Potenzialerkennung und -förderung der Schüler:innen. Der kollegiale Austausch mündet in einem sensibilisierten Blick auf die einzelnen Schüler:innen, sodass auch sog. Underachiever erreicht und motiviert werden.

In der Vergangenheit wurde am Gymnasium Farmsen verstärkt konzeptionell gearbeitet, um Lücken und Stärken hinsichtlich der systemischen Aspekte zu identifizieren. Frau Weisener betont, dass hierbei ausdrücklich nicht nur die Exzellenzförderung in den Blick genommen wird, sondern im Sinne der sozialen Chancengleichheit und Teilhabe auch die Begeisterung und Motivation vieler Schüler:innen mit sehr unterschiedlichem Bildungshintergrund. Eine weitere tragende Säule ist das soziale Lernen, das sich durch alle Jahrgänge zieht. Teamwork sei für die Schüler:innen kein Fremdwort, so Frau Weisener, „Unsere Schüler:innen können sich sehr gut selbst organisieren z.B. bei der Zusammenstellung ihrer Forschungsgruppen.“

Während des Unterrichts oder außerhalb des Unterrichts?

Beides! Im Rahmen des Unterrichts wird gezielt auf bestimmte Wettbewerbsformate hingearbeitet (NATEX, JuniorIng, Jugend forscht (junior), MINT-Space, Informatik-Biber …). Durch „Mathe sicher können“ erhalten Schüler:innen ein breites Fundament an Mathematik-Skills – auch um ggf. anschlussfähig zu sein an eine spätere Exzellenzförderung. Ein Enrichment-Programm und das Drehtür-Modell erlauben individuelle Lösungen für begabte Schüler:innen. Natürlich werden auch außerschulische Lernorte wie das Gut Karlshöhe, das MINTarium, das Körber-Forum oder das Schülerforschungszentrum besucht.

Die TUHH, die Hamburger Energienetze oder die Hacker-School sind wichtige Kooperationspartner, Lufthansa-Technik ist derzeit als künftiger Partner im Gespräch. Die Bedeutung dieser Unternehmen für die Schule ist nicht zu unterschätzen, zum einen wegen der Möglichkeiten, sich für Projekte Unterstützung zu holen, zum anderen auch für den realen beruflichen Bezug.

Im nachmittäglichen Ganztagesbereich, der allen Schüler:innen offen steht, gibt es  wechselnde Angebote im Bereich Robotik, Lego-Mindstorms oder 3D-Druck, zwei Schach-AGs, ein Outdoor-Schachfeld, eine Klima-AG und eine Garten-AG sowie eine Dauerausstellung Mini-Phänomenta.  

Quo vadis?

Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Rede anlässlich der Siegerehrung Jugend forscht: „(…) Das Thema Bildung ist nie erledigt. Bildungspolitik ist nie endgültig, immer unfertig, weil sie sich dem Wandel von Gesellschaft, sich verändernden Erwartungen und neuen Herausforderungen stellen und immer mitwachsen muss. In der Interpunktion der Bildungspolitik gibt es keinen Punkt, sondern immer nur ein Komma. (…)“ ¹.  Das gilt im Großen aber natürlich auch im Kleinen für die einzelne Schule. Die Entwicklung an der Schule wird von der Schulleitung unter Mitwirkung der Steuergruppe begutachtet, bewertet und angepasst. Hierfür werden Evaluationstools genutzt, die KERMIT-Ergebnisse analysiert, die schuleigenen Gremien eingebunden und die Entwicklung mit größtmöglicher Transparenz vorgestellt. Hierzu setzt das Gymnasium Farmsen nicht nur auf die traditionelle Homepage, sondern auch auf den schuleigenen Instagram-Kanal. Auf der Agenda stehen die MINT-Förderung von Mädchen, ein erweitertes naturwissenschaftliches Angebot in der Oberstufe, gezielte Fortbildung von Kolleg:innen und auch eine stärkere Vernetzung mit Nachbarschulen im MINT-Bereich.

Quo vadis? Bildung als Prozess verstehen: Offen für Wandel, geprägt von Beteiligung, getragen von Begeisterung.

Das Ziel: Junge Menschen nicht nur zu fördern, sondern zu begeistern – und sie zu befähigen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, sodass auch die nächste Generation Lösungen finden wird für Herausforderungen.